Unsere gemeinsamen Prinzipien und Werte

Rede auf dem Landesparteitag NRW in Bottrop am 26.10.14

Liebe Parteifreunde,

wir sind uns nicht immer einig, und das ist ganz normal bei 20.000 Mitgliedern. Parteitage wie der heutige sind dazu da, dass man über die unterschiedlichen Auffassungen spricht. Was wir brauchen, ist Zusammenhalt. Zusammenhalt gewinnen wir mit den Themen, die uns zusammengeführt haben, und mit unseren politischen Zielen. Dieser Zusammenhalt lässt uns zusammenstehen, wenn wir von unserem politischen Gegner oder manchen Medien angegriffen werden. Ihnen gegenüber stehen wir zusammen als eine Partei, in der Auseinandersetzungen demokratisch ausgetragen werden und die sich klar zu folgenden Zielen bekennt: die Kritik am Euro, die Verbesserung der Entwicklung Europas, die Forderung nach direkter Demokratie, nach dem Erhalt der Rechtsstaatlichkeit und der sozialen Marktwirtschaft. Ich bin froh und glücklich, dass wir gemeinsam für diese Ziele stehen!

Diese Themen verschaffen uns Ansehen in der Öffentlichkeit. Dieses Ansehen müssen wir uns aber auch weiterhin erhalten und bei den Bürgern um Vertrauen werben. Jedes Mitglied der AfD ist in diesem Sinne verpflichtet, das Ansehen der Partei zu wahren.

Lassen Sie mich die Punkte, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind, entlang unserer gemeinsamen Prinzipien erörtern, damit wir eine Art Grundorientierung bekommen.

Ukraine: Die Grundprinzipien für die Annäherung an dieses Thema sind

  • Selbstbestimmungsrecht der Völker
  • Demokratie
  • Vertragstreue

Wir billigen dem ukrainischen Volk genauso ein Selbstbestimmungsrecht zu wie den anderen Volksgruppen in der Ukraine. Dieses Selbstbestimmungsrecht müssen wir verteidigen gegen die Ansprüche der Großmächte, die in Einflussbereichen und Interessenssphären denken. Die Ukrainekrise ist nicht zuletzt deshalb entstanden, weil Großmächte aufgetreten sind, die die Ukraine in ihrem Einflussbereich halten wollten. Wenn wir eine Alternative sein wollen, so müssen wir ein Ende dieses Denkens in Hegemonialbestrebungen fordern. Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstbestimmung, in ihrer Außen- ebenso wie in ihrer Wirtschaftspolitik.

Wir müssen ferner die demokratisch gefällten Entscheidungen des ukrainischen Volkes akzeptieren, das sich kürzlich für ein Assoziierungsabkommen mit der EU entschlossen hat. Der Svoboda-Partei stehe ich persönlich sehr kritisch gegenüber, aber ich anerkenne, dass diese Partei von 10 % der Bürger gewählt wurde und in der Regierung sitzt. Niemand hat einen Anspruch darauf zu bestimmen, wie die Ukraine ihre Regierung bildet.

Russland hat der Ukraine vertraglich zugesichert, ihre Grenzen nicht zu verletzen. Als Partei, die den Bruch der europäischen Verträge kritisiert, müssen wir hier ebenso kritisieren, dass Russland mit der Annexion der Krim einen Rechtsbruch begangen hat.

TTIP:  Auch hier gelten drei Grundprinzipien:

  • Freihandel ist prinzipiell gut
  • Gesetzgebung und Rechtsprechung müssen in staatlicher Souveränität verbleiben
  • Bürokratie im Handel soll nicht vergrößert werden

Freihandel ist grundsätzlich etwas Positives. Wo Zölle erhoben werden, können ausländische Unternehmen ihre Waren nicht zu den gleichen Bedingungen verkaufen wie inländische, und dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Wer Zölle erhebt, wird auch seinerseits mit Zöllen belegt, was beiden  Seiten schadet. Wir wenden uns daher nicht gegen Freihandel, sondern gegen die Begleitumstände, die TTIP möglicherweise beinhaltet.

Die Souveränität eines Staates in Bezug auf seine Gesetzgebung und Rechtsprechung darf nicht untergraben werden. Und da zeigen wir als Rechtsstaatspartei klare Kante: Wir lehnen ab, dass mit TTIP Bestimmungen einhergehen, die die Fähigkeit deutscher Gerichte einschränken, in Deutschland Recht zu sprechen, oder die die Befähigung des deutschen Gesetzgebers einschränken, in Deutschland Gesetze zu erlassen. Denn dies würde Deutschland schaden.

Wir wollen den Bürokratieaufwand, der durch die Prüfung von Verbraucherschutzbestimmungen der beiden am Handel beteiligten Länder entsteht, nicht vergrößern. Der Verbraucherschutz ist uns wichtig. Aber wir werden nicht von den Amerikanern verlangen können, dass sie ihre Waren dem deutschen Verbraucherschutz anpassen. Da erhebt sich die Frage, wo Regulierungen zusammengeführt oder reduziert werden können. Das ist ein Prozess des Gebens und Nehmens, denkbar ist, dass die Sicherheitsanforderungen der Herkunftsländer in den Empfängerländern gegenseitig akzeptiert werden. Wir müssen fragen, was vernünftig ist und was dem Interesse der Verbraucher sinnvollerweise dient.

Wir wissen nach wie vor nicht, welche vertraglichen Bestimmungen dort verhandelt werden, wir kennen noch nicht einmal das Verhandlungsmandat der EU genau. Somit weiß ich noch nicht, wie ich darüber abstimmen werde.

Kommen wir zu Themen, über die Einigkeit in der AfD herrscht.

Die Eurozone leidet unter einer Wachstumsschwäche. Die Staaten im Süden sind nach wie vor in einer Krise und in den Kernländern Deutschland und Frankreich schrumpft die Wirtschaft. Und das trotz des „geretteten“ Euro, der unserer Wirtschaft angeblich so sehr dient, und obwohl die EZB die Märkte mit Geld flutet. Herr Juncker verkündet nun ein 300-Milliarden-Programm, mit dem er die Wirtschaft endlich in Schwung bringen will. Er weiß nur nicht, wie er die 300 Milliarden finanzieren will. Er fragt nicht nach den Ursachen, warum in Europa nicht investiert wird, obwohl hier die Zinsen doch extrem niedrig und die Kreditbedingungen sehr gut sind. Wenn die Unternehmer nicht investieren, wird auch der Staat keine sinnvollen Investitionsmöglichkeiten finden. Völlig unklar ist außerdem, in was mit den 300 Milliarden eigentlich investiert werden soll.

Wenn es mit dem großen Investitionsprogramm nicht klappt, kommt die EZB auf den Plan. Die EZB kauft Großbanken in der Eurozone gezielt riskante Kredite ab. Das ist keine Währungspolitik, das ist eine Wirtschaftspolitik, zu der die Zentralbank nicht befugt ist! Wir werden daher eine Verfassungsbeschwerde gegen die EZB wegen Mandatsüberschreitung anstrengen. Wir wollen erreichen, dass der Bundesbank untersagt wird, sich an den Aktionen der EZB zu beteiligen.

Im Mittleren Osten erleben wir mit den Zerfall von Syrien und dem Irak und das Erstarken des ISIS. Im Zuge dessen kommen zwei große Herausforderungen auf uns zu: zum einen die Flüchtlingskatastrophe, zum anderen unsere eigene innere Sicherheit. Den ISIS-Unterstützern in Deutschland müssen klare Schranken gesetzt werden. Die Religionsfreiheit steht nicht in Frage, jeder kann hier nach seiner Façon selig werden. Wir müssen aber dafür sorgen, dass Leute, die auf unseren Straßen predigen, nur Dinge sagen, die mit unserem Grundgesetz vereinbar sind. In den 1970er Jahren gab es den Radikalenerlass. Niemand durfte in den öffentlichen Dienst eingestellt werden, der eine linksextremistische Gesinnung hat, hierfür gab es sogar eine Regelüberprüfung. Das muss auch heute noch unsere Leitlinie sein: Ein Verfassungsfeind hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Er hat aber auch in Gotteshäusern nichts zu suchen, insbesondere, wenn er dort predigt. Gotteshäuser dürfen nicht dazu missbraucht werden, andere Rechtssysteme zu propagieren. Die Scharia hat in Deutschland nichts zu suchen. Kein Prediger darf die gleichen Rechte der Frauen in Frage stellen. Ich bringe daher als Vorschlag ein, dass Menschen, die in Deutschland predigen, ein Bekenntnis zum Grundgesetz ablegen müssen.

ISIS ist keine Herausforderung an die Nato, weil es keinen Angriff auf die Nato ist. ISIS ist eine militärische Herausforderung an die arabische Welt. Isis besteht aus ein paar tausend Kämpfern. Die arabische Welt sollte imstande sein eine Streitmacht aufzustellen, die der ISIS Einhalt gebieten kann. Darauf müssen wir drängen. Es sind die reichen arabischen Staaten, die jetzt in der Verantwortung stehen, gegen ISIS vorzugehen.

Die Flüchtlingskatastrophe: In einer Situation, in der ganze Völker entwurzelt werden, sind wir verpflichtet, Hilfe zu leisten, bei uns oder vor Ort. Wir müssen über die kurzfristige humanitäre Hilfe hinaus überlegen, wo die entwurzelten Menschen, die möglicherweise für längere Zeit nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, am besten aufgehoben sind, wo sie ihren Glauben und ihre Kultur leben können und ihre Sprache gesprochen wird. Es gehört zu unserer Verantwortung auch finanziell zu Programmen beizutragen, die diese Flüchtlinge in Länder integriert wollen, in denen ebenfalls arabisch gesprochen wird. Wir müssen die arabischen Staaten sehr viel stärker in die Verantwortung nehmen.

Meine Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Parteitag mit lebhaften Diskussionen.

Bernd Lucke