Interview: „Bestehendes Recht muss konsequent eingehalten werden“
Kreis Minden-Lübbecke. Äußerst umstrittene, radikale Aussagen zur Flüchtlingspolitik von Landes- und Bundesvorsitzenden, vergleichsweise sachliche Informationsangebote auf regionaler Ebene, etwa bei Informationsveranstaltungen in der Stadthalle Lübbecke. Wie passt das zusammen? Das hat NW-Redakteur Frank Hartmann den Kreissprecher der AfD Minden-Lübbecke, Markus Wagner, gefragt.
Obwohl die Flüchtlingspolitik seit mehr als einem Jahr das Thema Nummer eins ist, sind zu Ihrer Veranstaltung mit Professor Tropberger lediglich circa 50 Zuhörer in die Stadthalle Lübbecke gekommen. Woran lag das?
Markus Wagner: Der Veranstaltungsraum war wie Sie selbst sehen konnten, trotz des eisigen Wetters, gut gefüllt. Ich kann also Ihr „nur“ 50 Besucher als Bewertung überhaupt nicht teilen.
Wie viele Mitglieder hat die AfD im Kreis Minden-Lübbecke; und wie verteilen sich diese auf die Altkreise Minden und Lübbecke?
Wagner: Bis zum 31. Dezember 2015 etwa 40 Mitglieder. Zum jetzigen Zeitpunkt 52 Mitglieder, inklusive Förderer und weitere acht Mitgliedsanträge in Bearbeitung. Nach dem Essener Parteitag hatte die AfD noch 36 Mitglieder. Die Verteilung auf die Altkreise besteht in einem Verhältnis von etwa 60 zu 40 zugunsten des Altkreises Minden.
Laut Professor Tropberger basiert der deutsche „Wertekanon“ auf „Judentum, Christentum, Humanismus und Aufklärung“. Erwarten Sie, dass Flüchtlinge oder Zuwanderer anderer Glaubensrichtungen konvertieren, oder wollen Sie die gar nicht erst ins Land lassen, wie Donald Trump Muslimen die Einreise in die USA verweigern will?
Wagner:Anders als Sie insinuieren, besteht gerade zwischen dem von Professor Tropberger dargestellten Wertekanon und einer angeblichen Aufforderung zur Konvertierung keinerlei Beziehung. Natürlich muss in Deutschland niemand zu irgendeiner Religion konvertieren, denn unser Grundgesetz gewährleistet Religionsfreiheit. Leider ist dies in den meisten islamisch geprägten Ländern vollkommen anders. Wir erwarten auch von muslimisch gläubigen Menschen in Deutschland, dass sie sich daran halten. Das heißt, Religionsfreiheit gilt auch für jene, die vom Islam in eine andere Religion konvertieren.
»Integrierte Muslime gehören zu uns, der Islam als solcher aber noch lange nicht«
Zeigen die vielen Muslime, die in Deutschland bereits seit Jahren friedlich mit uns zusammenleben nicht, dass der Islam längst zu Deutschland gehört? Anders als von Professor Tropberger dargestellt, der sagte „Der Islam gehört zu Deutschland“ sei „ein schrecklicher Satz“ und der Islam gehöre nicht zu Deutschland.
Wagner: Nein, die von Ihnen angesprochenen gut integrierten Muslime zeigen natürlich, dass sie zu uns gehören, aber damit noch lange nicht der Islam als solcher. Der Islam hat für die deutsche Geschichte keinerlei prägende Wirkung. Diese prägende Wirkung haben allerdings die von Professor Tropberger angeführten Christentum, Judentum, Aufklärung und Humanismus.
Welche „deutschen Werte“ ergeben sich aus Humanismus und Aufklärung, die die AfD schützen will?
Wagner: Ganz einfach: Die Werte unseres Grundgesetzes und unseres Zusammenlebens.
Was meint Professor Tropberger beziehungsweise die AfD, wenn er sagt „Deutschland soll so bleiben, wie es ist“?
Wagner: Unser Land soll weiter in Frieden, Freiheit und Wohlstand gedeihen. Deutschland soll ein freiheitlicher, demokratischer, sozialer Rechtsstaat bleiben. Die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, hat hierzu im Bayernkurier einige interessante Aussagen gemacht. Sie sagte unter anderem: „Der Erhalt unserer Kultur und unserer Werte muss auf die Agenda der Volksparteien. Unser Land darf sich nicht verändern.“ Weiter sagte sie: „Zu lange wurde eine von Multikulti-Romantik geprägte Integrationspolitik praktiziert, die Raubbau an unseren eigenen Wertvorstellungen zur Folge hatte.“ Genau in diesem Sinne hat sich auch Professor Tropberger geäußert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
»Die AfD lehnt es ab, dass auf Menschen geschossen wird, die friedlich Einlass begehren«
Wie steht der AfD-Kreisverband zu den Aussagen Ihrer Bundesvorsitzenden Frauke Petry, die im Interview mit dem Mannheimer Morgen wörtlich gesagt hat: (Der Bundespolizist …) „muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz. … Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“
Wagner:Frauke Petry und Jörg Meuthen, die beiden Bundessprecher unserer Partei, haben sich im Namen des Bundesvorstands hierzu klar geäußert: „Die AfD lehnt es strikt ab, dass auf Menschen geschossen wird, die friedlich Einlass in das Bundesgebiet begehren. Die AfD strebt keinerlei Verschärfung der diesbezüglich geltenden Rechtslage oder Praxis an. Die Gesetzeslage ist eindeutig und für die Grenzsicherung vollkommen ausreichend. Als Partei der Rechtsstaatlichkeit fordert die AfD die konsequente Einhaltung bestehenden Rechts. Grenzsicherung muss im Rahmen der bestehenden Gesetze und streng nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit erfolgen.“
Das heißt?
Wagner: Die gesetzliche Grundlage findet sich vor allem im Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes. Die Verhältnismäßigkeit wird in einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.10.1988 klar definiert. Die Anwendung der Schusswaffe zur Grenzsicherung hat ausschließlich im Rahmen dieser Gesetze und Verhältnismäßigkeiten zu erfolgen.
»Begriffe wie Rassist und Nazi werden viel zu inflationär missbraucht«
Schließen Sie sich der Aussage von Frau Petry gegenüber dem Mannheimer Morgen an, dass der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke kein Rassist ist, und erinnert Sie sein ständiges Reden vom bedrohten deutschen „Reich“ nicht an NS-Propaganda?
Wagner: Auch ich kann mir, wie Frau Dr. Petry, nicht vorstellen, dass Björn Höcke ein Rassist ist. Denn Rassisten haben in unserer Partei keinen Platz. Zudem finde ich, dass Vorwürfe wie „Rassist“ oder „Nazi“ ohnehin viel zu inflationär missbraucht werden. Dies kann möglicherweise eine Verharmlosung der NS- Verbrechen befördern.
Frau Petry sagte dem Mannheimer Morgen, die große Mehrheit der AfD wolle eine liberal-konservative Politik. Die beansprucht auch die Alfa, deren Vertreter aus der Mindener Ratsfraktion der AfD geflogen ist. Wer ist wirklich liberal-konservativ: die AfD oder Alfa?
Wagner: Ja, die AfD ist liberal, konservativ und patriotisch. Sie bietet den von den Altparteien enttäuschten Bürgern eine politische Heimat. Die Notwendigkeit der Existenz der AfD ergibt sich alleine schon aus dem deutlichen Linksruck der ehemals liberal-konservativen und ehemals patriotischen CDU.
Zu welchen Themen plant die AfD Minden-Lübbecke in diesem Jahr weitere öffentliche Veranstaltungen im Lübbecker Land oder anderen Teilen des Kreisgebietes?
Wagner: Die AfD wird sich jedes aktuellen Themas annehmen. Insbesondere der Themenkomplexe, zu denen die etablierten Parteien keine befriedigende Lösung anbieten. Bislang sind wir mit Energiewende, Flüchtlingspolitik und Eurorettungspolitik in Erscheinung getreten. Im Hinblick auf die Landtagswahlen wird sicher das Thema Bildung und Inklusion zusätzlich auf der Tagesordnung stehen. Vor allem das Scheitern einer völlig überstürzten Politik der schulischen Inklusion, mit der einhergehenden Aushöhlung eines funktionierenden Förderschulsystems, wird uns noch beschäftigen.